1. Kapitel

 

Vielleicht ist nichts von alledem wahr

Wovon ich dir berichte

Wer weiß, ob das geschah?

Vielleicht ist es nur das: Eine Geschichte

 

Schnee war auf die Welt gefallen, und eine weiße Unschuld schien die sündige Stadt friedvoll zu bedecken. Die Menschen hielten inne in ihrer selbst auferlegten Hektik, alle Geschäftigkeit verlor die Bedeutung angesichts unpassierbarer Straßen. Passend zum nahen Festtag besannen sich alle auf die Erwartung der Familienfeiern und Geschenkorgien. Wer noch nicht alles eingekauft hatte würde nun viel Geduld und noch größeres Glück benötigen, um die gemachten Pläne doch umsetzen zu können. Der Wind trieb draußen ein eigenwilliges Spiel mit den unablässig weiter fallenden Schneeflocken, jagte sie scheinbar wild tanzend die Walsh Road hinunter, vorbei an der Gabelung mit der 89, der Oakbrook Lane und der Bloomer Road, dann zwischen den Bäumen hindurch, vorbei an den Häusern in Richtung Einmündung der Brookside Lane, vor der rechte ein kleiner Weg bis zum alten Herrenhaus führte.

Es gab viele Gerüchte, wer dort wirklich lebte. Hartnäckig hielt sich die Version, dass der Besitzer ein Rockmusiker war, aber niemand vermochte zu sagen, in welcher der vielen Bands er mitspielte, die im Gespräch waren. Tatsächlich hatte man den jungen Mann schon Saiten für seine Gitarre kaufen sehen. Doch der alte Hillerman, der den Musikladen führte, seit Martha Jennings spurlos verwunden war, wusste auch nichts weiter. Keinen Namen, keine Band, nicht einmal eine Musikrichtung. Nur an Rock glaubte er nicht, die Saiten waren für eine Konzertgitarre gewesen; im besten Fall mochte der Langhaarige in einem klassischen Orchester spielen. Möglicherweise jedoch lediglich zu Hause vor dem offenen Kamin. So wirklich wählerisch war er nicht gewesen, sondern hatte einen Satz aus dem Niedrigpreissegment gewählt.

Die unscheinbare Miss Gillespie, die sich selbst für eine verführerische Variante von Miley Cyrus hielt und dabei irgendwie einen Schreibwarenladen führte, der einst von ihrem Großvater mütterlicherseits gegründet worden war, vertrat hartnäckig die Theorie, der Mann dort am Ende der Stadt sei ein Schriftsteller. Er kaufte regelmäßig Papier und Tinte für seinen Drucker. Meistens schwarz, und er wirkte auf sie wie jemand, der Bücher schrieb. Fasziniert von der Wortgewandtheit des Mannes war die junge, schlecht bis gar nicht frisierte Frau sehr sicher, dass nur ein Autor in der Lage sein konnte, sich so gut auszudrücken. Müde wurde sie von allen anderen belächelt. Reden könne ja wohl jeder, und sie habe in ihrem Leben sicherlich kein Buch bis zum Ende gelesen, außer ihr eigenes Sparbuch. Ihr fehlte jegliche Grundlage, an den Gedankenspielen teilhaben zu können. Miss Gillespie nahm sich daraufhin vor, den jungen Mann, dessen Namen sie tatsächlich gar nicht wusste, einfach beim nächsten Einkauf zu fragen. Und – egal was sie erfahren würde – es nicht an die anderen Bewohner weiter zu geben. Denn die mochten zwar unglaublich großspurig reden, doch so wirkli